Weiße Schnecken, geschliffene Häuser

Seit 2015 werden im Zoohandel immer wieder Wasserschnecken mit auffallend weißem Gehäuse verkauft. Anfangs war es eine Sumpfdeckelschneckenart der Gattung Filopaludina, die das Synonym „Ghost Piano“ erhielt, inzwischen sieht man hin und wieder auch Kahnschnecken (Neritiden) mit einem ebensolchem weißen Häuschen auf dem Markt, und auch Schnecken der Gattung Brotia. Heiß begehrt als Rarität.

Bald fragten sich allerdings manche Schneckenfans, ob es hier wirklich mit rechten Dingen zugehen konnte - einige dieser Schnecken zeigten sich als ungewöhnlich empfindlich, und die Häuschen wirkten irgendwie "komisch".

1 Sind die weißen Häuschen natürlichen Ursprungs?

Recht schnell stellte sich bei Untersuchungen heraus, daß die Gehäuse mechanisch bearbeitet waren, die oberste Schicht entfernt wurde. Mit Ausnahme der weißen Variante der Apfelschnecke Pomacea diffusa gibt es eigentlich keine weißen Schnecken in der Natur im Süßwasser. Mit einem einfachen Essig-Test lässt sich beweisen, dass die weiße Schicht der entsprechenden Schnecken aus Kalk besteht.

1.1 Der Essigtest

Man nehme ein Wohnheim einer verstorbenen Schnecke und lege es in ein Glas Essig oder Essigessenz. Kurze Zeit später kann man anhand der Reaktion erkennen, dass die oberste Schicht aus Kalk bestehen muss: Die gesamte Schicht reagiert mit dem Essig und wird unter heftigem Sprudeln aufgelöst.

1.1.1 Wie reagiert ein normales Schneckenhaus in Essig?

Normalerweise besteht die oberste Schicht eines Schneckenhauses aus verdichtetem Eiweiß, dem Periostracum. Diese Schicht ist besonders resistent gegen chemische Angriffe. Legt man ein intaktes Haus in Essig, reagieren nur die eventuell erodierte Spitze des Hauses und die Kalkschicht im Inneren des Mündungsbereiches.

1.2 Farbreste

Auch bei genauen optischen Untersuchungen kann man Reste der alten Farbschicht erkennen, die leicht erhaben sind. Sie findet man in der Regel an Stellen, die vom Schleifmittel nicht gut erreicht werden können – in der Senkung an der Gehäuseöffnung zum Beispiel.

2 Folgen für die beschliffene Schnecke

Es zeigt sich, dass viele der solchermaßen beschliffenen und dadurch gestressten Aquarienschnecken äusserst empfindlich sind und ihr Leben im Aquarium meist nur kurze Zeit währt. Gelegentlich, sofern der Saum des Hauses nicht geschädigt ist, wächst das Gehäuse in seiner orginalen Struktur in der entsprechenden Farbe weiter, man sieht in diesem Fall dann einen deutlichen Farbunterschied zum beschliffenen, weißen Teil. Ist der Mantelsaum beim Schleifen beschädigt worden, kann die Schnecke dagegen überhaupt nicht mehr weiter wachsen.

2.1 Sonderfall Weichwasser

Besonders problematisch ist die Haltung der überlebenden Tiere in einem Wasser, welches einen pH-Wert unter 7,3 hat. Hier werden die schutzlos dem sauren Wasser ausgesetzten Gehäuse recht schnell immer dünner, bis es zum Mantelkollaps kommt, oder bis einfach die Innereien frei liegen. Das bedeutet dann natürlich den Tod des Tieres.

3 Folgen für den Nachwuchs

Sind besonders robuste Schnecken dabei, leben sie zwar weiter, aber die ersten Jungtiere, die von den lebend gebärenden sogenannten "Ghost Piano Snails" entlassen wurden, zeigten sich häufig als instabil. Es ist anzunehmen, dass sie durch den Prozess des Schleifens im Brutbeutel der Mutter nachhaltig geschädigt werden. Die überlebenden Jungschnecken sind wildfarben. Sie wirken zunächst zwar recht hell, dunkeln aber später stark nach.

Also - Augen auf beim Wirbellosenkauf!

 

Autor(en)

Alexandra Behrendt

Fotos: Alexandra Behrendt, Manuela Hermanns, Video: Alexandra Behrendt

Quelle

Alexandra Behrendt: Schnecken fürs Aquarium

Alexandra Behrendt: Schnecken im Aquarium