Die äußere Anatomie der Garnelen

Grundlegend unterscheiden wir zwischen der äußeren und inneren Anatomie, also dem Aufbau des Körpers einer Garnele. In diesem Artikel reden wir über die äußere Anatomie, die innere Anatomie behandeln wir in einem separaten Artikel. Ein Klick auf den grün unterlegten Link bringt euch dorthin.

1 Gliederung des Garnelenkörpers

Der Körper der Garnele kann grob gegliedert werden in Cephalothorax (Kopf-Bruststück) und Pleon (Hinterleib, auch - nicht ganz richtigerweise - Abdomen genannt - genau genommen trägt ein Abdomen keine Beine). Genau dazwischen befindet sich die „Sollbruchstelle“ für die Häutung.

Im Gegensatz zu Wirbeltieren haben Garnelen (als sogenannte Wirbellose) keine Knochen, sondern einen Außenpanzer – auch Exoskelett oder Cuticula genannt.

Insgesamt besitzen Garnelen zwei Scherenbeinpaare und drei Schreitbeinpaare – zusammen sind das 10 Beinchen. Daher kommt auch der Name Decapoda: Zehnfußkrebse. Die „größten“ Scheren sitzen bei allen Garnelen - auch bei Großarmgarnelen und Fächergarnelen - am zweiten Beinpaar. Dies ist ein sicheres Unterscheidungsmerkmal zu Krebsen, bei denen sich die größten Scheren am ersten Beinpaar befinden. Alle Körperanhänge kann die Garnele bei einem Verlust im Verlauf der nächsten Häutungen neu ausbilden.

2 Aufbau des Garnelenkörpers

Der Körper aller Zehnfußkrebse (Decapoda), zu denen auch die Garnelen gehören, ist nach einem sehr einfachen Muster aufgebaut. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht, so besteht eine Garnele im Prinzip aus lauter ähnlich aufgebauten Segmenten, die jeweils ein sogenanntes Spaltbeinpaar tragen. Diese Beinpaare sind je nach Körperabschnitt unterschiedlich geformt und erfüllen verschiedene Funktionen.

Eine Garnele besteht aus insgesamt 19 Segmenten, gut zu erkennen sind allerdings nur noch sechs dieser Körperabschnitte am Hinterleib oder Pleon. Die Segmente des Kopf-Bruststückes (Cephalothorax) sind unter dem starr verwachsenen Brustpanzer (Carapax) verborgen. Dreht man die Garnele auf den Rücken und sieht man sie sich bauchseitig an, erkennt man schnell an den Beinen, dass auch hier diese Gliederung vorliegt.

2.1 Cephalothorax oder Kopfstück

2.1.1 Augen

Die Facettenaugen der Garnele sitzen auf den kurzen, unabhängig voneinander beweglichen Augenstielen. In den Augenstielen werden die Häutungshormone produziert. Verlorene Augen (durch eine Nekrose oder durch einen Unfall) können - anders als die Gliedmaßen bei Garnelen - nicht regeneriert werden. Manchmal wächst an Stelle des Auges ein fühlerähnliches Stück, manchmal bleibt auch einfach eine leere Augenhöhle.

Zur Besonderheit bei Garnelen mit Orange Eyes (OE) haben wir einen separaten Artikel: "Sind Garnelen mit OE wirklich blind?"

2.1.2 Antennen oder Fühler

Beginnen wir ganz vorne - mit dem Cephalothorax, auch Kopf-Bruststück genannt. Hier sitzen zunächst drei zu Fühlern umgebaute Spaltbeinpaare: die paarigen zweigeteilten kürzeren Antennula (das erste Antennenpaar), gefolgt von den langen Antennen, dem zweiten Antennenpaar. Die Antennen sind unabhängig voneinander bewegbar. Zwischen ihnen liegt das Rostrum.

2.1.2.1 Die Antennula

An der Basis der paarigen kurzen Antennula befindet sich ein winziger, mit feinen Härchen ausgekleideter Hohlraum, die Statozyste. Hier liegt ein winziges Sandkörnchen, der Statolith. Es drückt durch die Schwerkraft auf die Sinneshärchen und dient der Garnele zur Orientierung im Raum - ein Gleichgewichtsorgan. Der Statolith wird bei jeder Häutung erneuert. Auf den Antennenästen sitzen außerdem Tast- und Riechborsten.

2.1.2.2 Die langen Antennen

Die langen peitschenförmigen Antennen dienen der Garnele als Tastorgane. Sie können länger als die Garnele selber sein. An ihrer Basis sitzt die bewegliche Antennenschuppe (Scaphocerit). Der Scaphocerit leitet den Atemwasserstrom und den Harn vom sensorischen Apparat der 1. Antennen weg und dient der Garnele zudem zur Höhenregulierung beim Schwimmen.

2.1.3 Das Rostrum

Zwischen den Antennen und den beiden Stielaugen der Garnele sitzt das spitz zulaufende Rostrum, eine Verlängerung des Kopfpanzers, das viele Menschen an eine Nase erinnert. Es wird auch Stirnstachel genannt. Wozu dieser langgestreckte Fortsatz dient, ist nicht ganz klar, die Form des Rostrums spielt jedoch bei der Artbestimmung von Garnelen eine sehr große Rolle, weil vor allem die Bezahnung sehr charakteristisch für die einzelnen Arten ist. Man spricht hier von der Rostrumformel, die angibt, wo die Zähnchen auf dem Rostrum bei der einzelnen Art sitzen.

2.1.3.1 Die Rostrumformel

Bei der auf T. H. Butler zurückgehenden Rostrumformel wird die Zahl der Zähnchen auf dem Rostrum angegeben - sie spielt bei der Artbestimmung von Garnelen eine wichtige Rolle. Zur Bestimmung der Rostrumformel werden zunächst die Zähnchen auf der Oberseite des Rostrums gezählt. Die Formel beginnt mit den Zähnchen hinter der Augenbasis, dann folgen die Zähnchen vor der Augenbasis bis vor zur Spitze. Der letzte Teil der Rostrumformel gibt die Zähnchenzahl auf der Unterseite des Rostrums an. Die Rostrumformel der Bienengarnele lautet zum Beispiel: 4-7(4) + 6-14(8) / 1-3(2). Hier gibt es also hinter der Augenbasis 4-7 Zähnchen, von der Augenbasis bis zur Spitze 6-14, und 1-3 an der Unterseite. Die Zahlen in den Klammern geben die am häufigsten gefundene Anzahl von Zähnchen an.

2.1.4 Die Mundwerkzeuge

Nach den Antennen kommen drei weitere paarige zu Mundwerkzeugen umgeformte Spaltbeine: die Maxillen und Mandibeln sowie die Kieferfüße (Maxillipeden). An der zweiten Maxille sitzt der Scaphognathit, ein bewegliches Anhängsel, das den Atemwasserstrom erzeugt und den Kiemen frisches Wasser zuführt.

2.1.5 Die Scherenbeine und Schreitbeine (Thorakopoden)

Weiterhin haben wir am Cephalothorax noch die eigentlichen Beine: fünf Schreitbeinpaare (Peraeopoden), zwei davon mit Scheren.

Zwischen dem letzten Schreitbeinpaar befindet sich bei der weiblichen Garnele die Geschlechtsöffnung. Hier mündet der Eileiter.

Die Scherenbeine der Zwerggarnelen haben nur kleine Scheren. Diese tragen dicht stehende bezahnte Borsten, die sich perfekt für das Abschaben von Biofilmen und Algenbelägen eignen. Unter dem Mikroskop enthüllt sich erst die feine Struktur. Weiter innen besitzen die Scheren der Garnelen auch noch Chitinleisten, die ihnen das Zerteilen gröberer Nahrung ermöglichen.

2.1.6 Die Kiemen

An der Basis der Kieferfüße, der Scherenbeine und der Schreitbeine sitzen die Kiemen (bis zu 3 Kiemen je Bein) unsichtbar unter dem Carapax in den Kiemenhöhlen.

2.1.7 Der Carapax

Im Cephalothorax-Bereich sind die Segmente zu einem Stück verwachsen: Der Kopf-Brustpanzer wird auch Carapax genannt. Der Carapax bei Krebstieren ist ausgesprochen hart und fest und bietet hier insbesondere den inneren Organen und den Kiemen Schutz. Auf dem Kopf-Brustpanzer sind Furchen erkennbar, zum Beispiel die Zervikalfurche. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Artbestimmung von Garnelen.

2.2 Pleon (Abdomen) oder Hinterleib

Das muskulöse Pleon besteht aus 6 deutlich unterscheidbaren Segmenten, die durch elastische Membranen beweglich verbunden sind. Auch diese Abdominalsegmente tragen jeweils ein Spaltbeinpaar, die zweiästigen Schwimmbeinchen. Sie nutzen Garnelen zum Schwimmen, die Weibchen heften außerdem ihre Eier mit einem klebrigen Faden an den Schwimmfüßen fest und betreiben Brutpflege. An den ersten beiden Schwimmbeinpaaren befinden sich bei männlichen Garnelen die artspezifisch geformten Geschlechtsanhängsel.

2.2.1 Der Schwanzfächer

Das letzte, abgeflachte Körpersegment der Garnele heißt Telson. Auch das Telson trägt ein umgebildetes Spaltbeinpaar, die Uropoden. Sie bilden zusammen mit dem Telson den Schwanzfächer. Droht Gefahr, schnellt der Schwanzfächer nach vorn und die Garnele macht so einen großen Sprung rückwärts. Im Telson befindet sich auch die Afteröffnung der Garnele. Im Video kann man deutlich erkennen, wie der Schließmuskel arbeitet.

 

Autor(en)

Ulli Bauer

Co-Autor(en)

Ricardo Castellanos

Fotos: Ricardo Castellanos, Tamara Stamm, Grafik: Garnelenhaus, Video: Thomas Baumeister

Quelle

Butler, T. H. 1980. Shrimps of the Pacific Coast of Canada. Department of Fisheries and Oceans, Ottawa, Bulletin 202, 280 pp. [Caridean and dendrobranchiate shrimp. Canada and eastern Pacific.]