Die Anatomie von Wasserschnecken

Der genaue Aufbau des Körpers bei den Wasserschnecken ist sehr stark von der Art der Schnecke abhängig, daher gibt es hier nur eine ganz grobe Übersicht. Sie basiert auf der Archimolluske, einer hypothetischen Urschnecke. Die einzelnen Organe können bei verschiedenen Schneckenarten etwas anders liegen als hier im groben Schema abgebildet.

Die Wasserschnecken wurden bis in die 1990er Jahre wissenschaftlich in Lungenschnecken und in Kiemenschnecken getrennt. Im Süßwasser findet man vorwiegend Lungenschnecken (Pulmonata) und Vorderkiemer (Prosobranchia). Diese haben ihre Kiemen vor dem Herzen. Die früher als Hinterkiemer bezeichneten Schnecken sind überwiegend im Meer beheimatet, es gibt nur ganz wenige Süßwasserarten unter ihnen. Ihre Kiemen liegen hinter dem Herzen.

1 Sinnesorgane

1.1 Paarige Fühler

Wasserschnecken haben paarige Fühler. Mit den Fühlern tastet die Wasserschnecke, aber es liegen auch große Mengen an Geruchssinneszellen auf ihnen, sie dienen also auch als Geruchssinnesorgan. Auch im weichen Teil des Fußes und im Mantelgewebe der Wasserschnecke liegen Tastsinneszellen.

1.2 Augen (Ocellen) an der Fühlerbasis

Die Augen (Ocellen) der Wasserschnecken liegen im Gegensatz zu den Landschnecken an der Fühlerbasis, nicht an der Fühlerspitze. Die Augen der Wasserschnecken ermöglichen ihnen zumindest ein Hell-Dunkel-Sehen und die Orientierung zur Lichtquelle hin.

1.3 Paarige Osphradien / Geruchssinnesorgane

Bei den Osphradien handelt es sich um Chemorezeptoren, die Teil des Geruchssinnesapparates der Wasserschnecken sind. Sie liegen nicht notwendigerweise hinten im Gehäuse, sondern können auch vorne am Kopf sitzen.

1.4 Statocysten / Lagesinnesorgane

Als Statocysten bezeichnet man die Gleichgewichtsorgane der Wasserschnecken. Sie bestehen aus einer mit Flüssigkeit gefüllten Blase, die einen oder mehrere Kalk- oder Sandkörner, die Statolithen, beinhaltet. Bei Bewegung reizt der Statolith die Sinneshärchen, die innen an der Hülle des Statocysten sitzt. Dieser Reiz dient der räumlichen Orientierung der Schnecke.

2 Nervensystem

2.1 Paarige Ganglien

Die Wasserschnecke besitzt ein Strickleiternervensystem, das aus paarigen Ganglien oder Nervenknoten besteht, die durch längs und quer verlaufende Nervenstränge verbunden sind. Die Ganglien werden je nach Lage als Cerebralganglien (das "Gehirn" der Schnecke), Pedalganglien (zuständig für die Nerven im Fuß) und Pleuralganglien (oft mit den Cerebralganglien verbunden und zuständig für die Nervenverbindungen im Mantel und im Vorderkörper) bezeichnet.

2.2 Paarige längs verlaufende Nervenstränge

Die paarigen längs im Körper der Wasserschnecke verlaufenden Nervenstränge sind Teil des Strickleiternervensystems der Schnecke und dienen der Informations- und Reizleitung.

2.3 Ringförmiger Nervenstrang

Auch der ringförmige Nervenstrang ist Teil des Strickleiternervensystems und verbindet die Ganglien miteinander. Er umgibt die Speiseröhre (Ösophagus).

3 Einteilige mineralisierte kuppelförmige dorsale Schale

Dem Schneckenhaus bei Wasserschnecken haben wir einen eigenen Artikel gewidmet: bitte hier entlang. Kurz gesagt ist das Schneckenhaus ein mineralisiertes Gehäuse, das die Schnecke dorsal (also auf dem Rücken) trägt. Überwiegend besteht es aus Kalziumcarbonat, also aus Kalk, den die Schnecken mit dem Futter oder mit Hilfe ihres Mantelgewebes aus dem Wasser aufnimmt.

Das säureanfällige Kalkskelett des Schneckenhauses wird durch eine Eiweißschicht, das Periostracum, vor Korrosion geschützt. Das Periostracum enthält Farbpigmente und ist für Farbe und Muster des Schneckenhauses verantwortlich. Es kann im Gegensatz zum Kalkgehäuse nicht regeneriert werden.

Die meisten Wasserschnecken haben ein gewundenes Gehäuse mit mehreren Umgängen, es gibt aber auch Arten mit schalenförmigem Gehäuse wie Ferrissia fragilis. Das Gehäuse ist artabhängig links- oder rechtsgewunden. Das Schneckenhaus wächst vorne an der Öffnung, wo die Schnecke mit Hilfe ihres Mantelgewebes Material anbaut. Schäden weiter hinten am Gehäuse kann die Schnecke von innen reparieren. Diese Stellen bleiben weiß.

3.1 Das Operculum

Nicht auf der Zeichnung, aber trotzdem wichtig: Verschiedene Schneckenarten können ihre Öffnung mit einem aus Horn bestehenden Deckel, dem sogenannten Operculum, ganz oder teilweise verschließen, um sich vor Feinden oder vor dem Austrocknen zu schützen. Das Operculum wächst in Ringen, seine Form und Struktur spielt bei der Artbestimmung eine wichtige Rolle. In ausgeklapptem Zustand trägt die Schnecke ihr Operculum auf dem hinteren Teil des Fußes, oft teilweise unter dem Schneckenhaus verborgen.

Geht das Operculum aufgrund eines Unfalls verloren, kann die Schnecke trotzdem weiterleben. Bei sehr guter Fütterung und Wasserhygiene wird das Operculum eventuell sogar regeneriert.

4 Verdauungssystem bei Wasserschnecken

4.1 Raspelndes Radulaorgan

Die Zunge der Schnecke heißt Radula. Sie ist mit Chitinzähnen besetzt, deren Anordnung für die Artbestimmung eine große Rolle spielen. Mit der Radula raspelt die Schnecke ihr Futter von Oberflächen ab oder zerkleinert es. Je nach Härte und Anordnung der Chitinzähne werden Algenbeläge, totes oder lebendes Pflanzenmaterial, Aas oder Detritus aufgenommen.

4.2 Odontophor

Der Odontophor besteht überwiegend aus Muskeln und Bindegewebe und dient als Stützapparat und Widerlager für die Radula (Raspelzunge). Er ist beweglich und kann gegen die Unterlage gedrückt werden, von der die Schnecke ihre Nahrung abraspelt.

4.3 Magen

Der Magen der Wasserschnecken ist ein wichtiger Teil des Verdauungssystems. Er nimmt die abgeraspelte, gekaute Nahrung auf. Seitlich des Magens liegen Speicheldrüsen, die in der Mundhöhle der Schnecke münden. Sie geben Enzyme zur Aufspaltung von Kohlehydraten wie Zucker und Stärke ab. Der Speichel macht die Nahrung breiiger, sodass sie besser in den Magen rutscht.

4.4 Mitteldarmdrüse oberhalb des Magens und mit ihm verbunden

In der Verdauungsdrüse oder Mitteldarmdrüse (Hepatopankreas) bildet die Wasserschnecke Verdauungsenzyme, die die zerkleinerte Nahrung weiter aufschließen. Hier werden auch Fette und Eiweiße und teilweise sogar Zellulose zerlegt und die Nährstoffe aufgenommen. Im Hepatopankreas wird durch Kalkzellen außerdem Calcium aus der Nahrung resorbiert, das die Schnecke unter anderem für den Bau ihres Gehäuses braucht.

4.5 Mitteldarm mit einfacher Schlinge

Der Magen mündet in den Darm. Hier werden letzte einfache Zuckermoleküle aufgenommen und ansonsten der nicht verdauliche Teil der Nahrung aus dem Körper der Schnecke transportiert.

4.6 Anus

Der Darm mündet im durch einen Muskel verschließbaren Anus. Hier scheidet die Wasserschnecke ihren Kot aus. Die genaue Lage ist von Art zu Art verschieden.

5 Mantel

Der Mantel der Schnecke besteht aus einem besonders zähen und widerstandsfähigen Gewebe, das den Eingeweidesack schützt und einhüllt. Das Mantelgewebe ist an der Öffnung des Gehäuses am dicksten. Hier werden Mineralstoffe, vorwiegend Calcium, und auch gelöster Sauerstoff aus dem Wasser aufgenommen. Bei manchen Schneckenarten kann man außen auf dem Gehäuse entlang der Öffnung Anhängsel des Mantelgewebes sehen, die die Kapazität zur Sauerstoffaufnahme erhöhen. Der Mantel hängt nahtlos mit dem Cephalopodium, also dem Kopf-Fuß, zusammen.

6 Fortpflanzungsorgane

6.1 Gonade

Die Gonade ist die Geschlechts- oder Keimdrüse der Wasserschnecke. Zweigeschlechtliche Schneckenarten haben jeweils nur weibliche oder nur männliche Keimdrüsen, zwittrige Arten dagegen haben beide Arten zur gleichen Zeit. Die Keimdrüsen liegen im Eingeweidesack und münden in den Eileiter. Die Öffnung, aus der die Eier austreten, befindet sich bei zweigeschlechtlichen Schnecken üblicherweise seitlich über dem Kopf, bei zwittrigen Arten seitlich am "Hals". Lebend gebärende Schneckenarten besitzen zusätzlich einen Brutbeutel, in denen die Eier heranreifen. Sie entlassen fertig entwickelte Jungtiere.

6.2 Gameten

Die Gameten sind die Geschlechtszellen oder Keimzellen der Wasserschnecke.

7 Herz-Kreislaufsystem

Der Blutkreislauf der Wasserschnecken ist weitgehend offen. Im Haemocoel befindet sich das Blut der Schnecke, die Haemolymphe. Je nach Art der Wasserschnecke besteht der Blutfarbstoff der Sauerstoff transportierenden Blutkörperchen aus rotem Hämoglobin oder bläulichem Hämocyanin.

7.1 Vordere und hintere Aorta

Die vordere und hintere Aorta oder Körperschlagader führt zum Herzen. Sie endet im Haemocoel, wo das Blut offen kreist.

7.2 Perikard

Das Perikard ist der Herzbeutel der Schnecke. Er ist ein wichtiger Teil des halb offenen Blutkreislaufs und umschließt das eigentliche Herz (Ventrikel) und die Aurikel.

7.2.1 Ventrikel

Der Ventrikel ist die Herzkammer der Wasserschnecke. Als muskulöser kurzer Schlauch saugt das Herz die Blutflüssigkeit an und pumpt das Blut durch die Aorta (bei Vorderkiemern) an den Kiemen vorbei in Richtung Kopf.

7.2.2 seitliche paarige Herzvorhöfe

Die Herzvorhöfe werden auch Aurikel genannt. Nur die sogenannten Altschnecken (unter ihnen die Neritidae oder Nixenschnecken, zu denen die bekannten Rennschnecken, Geweihschnecken, Kahnschnecken und Napfschnecken gehören) haben zwei Aurikel, alle anderen Schnecken besitzen nur einen.

8 Ausscheidungsorgane

8.1 Metanephridien

Bei den Metanephridien handelt es sich um Kanäle, die mit dem Herzbeutel oder Coelom der Schnecke verbunden sind. Sie führen nach außen und dienen der Harnausscheidung. Die Metanephridien enden in den Nierenporen.

8.2 Linke und rechte Nierenpore

Die verschließbaren Nierenporen liegen links und rechts hinten unter dem Gehäuse. Sie dienen der Harnausscheidung. Die Metanephridien münden hier.

9 Atmungsorgane

Die hier abgebildeten doppelästige Kiemen (Cnetidien) stehen lediglich symbolisch für den Atemapparat der Schnecke. Neben Arten mit Kiemenatmung gibt es auch noch Wasserschnecken mit einer Lunge. Die Kiemen der in der Aquaristik üblicherweise gehaltenen Süßwasserschnecken liegen vor dem Herzen, nicht wie hier abgebildet dahinter.

Kiemenatmende Schnecken (zum Beispiel Neritiden) können nicht ertrinken, weil sie den benötigten Sauerstoff aus dem Wasser ziehen. Sie brauchen daher sauerstoffreiches Wasser. Lungenschnecken wie die Posthornschnecke oder Apfelschnecken dagegen brauchen immer freien Zugang zur Wasseroberfläche, können dafür aber auch noch in relativ sauerstoffarmen Verhältnissen überleben.

10 Hintere Mantelhöhle

Die hintere Mantelhöhle beinhaltet und schützt im allgemeinen den Darmausgang und die Nierenausgänge und Chemorezeptoren. Bei den Neritiden sitzt hier außerdem nahe dem Anus und dem Ausgang des Eileiters der Kristallsack, in dem die Nixenschnecke feine mineralische unverdauliche Bestandteile sammelt, die sie zuvor aus dem Kot ausgefiltert hat. Sie dienen bei der Eiablage zur Verstärkung der Haut des Eikokons.

11 flacher, muskulöser Kriechfuß

Der unten flache Fuß der Schnecke dient der Fortbewegung. Die Schnecke bewegt sich dabei auf der Kriechsohle des Fußes fort. Am Fuß kann man aber auch den Futterzustand der Schnecke gut erkennen. Nähere Informationen findet ihr in diesem Wiki-Artikel: "Ernährungszustand von Aufwuchs fressenden Wasserschnecken erkennen". Kopf und Fuß der Schnecken werden für gewöhnlich unter dem Begriff "Cephalopodium" zusammengefasst.

11.1 Serielle Retraktormuskeln (Rückziehmuskeln)

Die seriellen Retraktormuskeln sind die starken Muskeln des Fußes der Wasserschnecke. Mit ihrer Hilfe kann die Schnecke nicht nur vorwärts kriechen, sondern auch graben. Kriecht die Schnecke an der Aquarienscheibe, kann man die wellenförmigen Muskelbewegungen beobachten, mit denen sie sich auf einer an der Vorderseite des Fußes produzierten Schleimschicht vorwärts schiebt.

 

Autor(en)

Ulli Bauer

Fotos: KD Schroeder (KDS444), German labels: User:TomCatX

Quelle

Grafik: Wikimedia Commons, Work of KDS444, lizenziert unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license,

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