Bakterielle Unverträglichkeit (BU) oder Kreuzverkeimung

Besonders oft fällt der Begriff „Bakterielle Unverträglichkeit / Bakterienunverträglichkeit“, abgekürzt BU, oder auch das Schlagwort "Kreuzverkeimung" im Zusammenhang mit Problemen im Garnelenaquarium. Beim Zusammensetzen von Zwerggarnelen aus verschiedenen Quellen (z. B. aus verschiedenen Stämmen, von verschiedenen Züchtern oder aus unterschiedlichen Aquarien) beginnen die Tiere nach und nach zu sterben, bis im schlimmsten Fall keines mehr übrig bleibt. Woran liegt das?

1 Bakterielle Unverträglichkeit - Begriffsdefinition

Der Begriff "Bakterielle Unverträglichkeit" ist folgendermaßen definiert: Eine solche Unverträglichkeit liegt vor, wenn das Immunsystem eines Individuums oder einer Population einen Erreger kennt, Antikörper dagegen besitzt und ihn dadurch erfolgreich abwehren kann, während das Immunsystem eines anderen Individuums oder einer anderen Population diesen Erreger eben noch nicht kennt und deshalb zu spät Abwehrmaßnahmen einleiten kann: in der Folge kommt es daher zu einer Erkrankung. Ein bekanntes Beispiel aus der Geschichte sind hier die Indianer und die europäischen Siedler - hier kam es sogar zu Todesfällen durch für die andere Gruppe vergleichsweise sehr harmlose Krankheiten.

2 Gibt es eine Bakterienunverträglichkeit bei Garnelen?

Garnelen und andere Krebstiere haben jedoch ein einfaches, sogenanntes angeborenes Immunsystem. Es ist nicht lernfähig, das heißt, Garnelen bilden keine Antikörper. Eine bakterielle Unverträglichkeit im strengen Sinn des Wortes ist daher bei ihnen eigentlich gar nicht möglich.

3 Wie kommt es dann aber zu den beobachteten Phänomenen beim Zukauf neuer Tiere?

Dennoch beobachten viele Halter beim Zusammensetzen von Garnelen aus unterschiedlichen Quellen Todesfälle, häufig zunächst bei einem der zusammengesetzten Stämme, hin und wieder greift das Problem jedoch auf alle Tiere über. Woran liegt dies, wenn es per Definition bei Dekapoden (Zehnfußkrebsen) aufgrund ihres angeborenen Immunsystems eigentlich keine BU geben kann?

3.1 Erreger von bakteriellen Infektionen

Garnelen bilden zwar keine Antikörper und sie können sich Erreger daher nicht wirklich "merken", aber für bakterielle Infektionen (und nichts anderes ist eine sogenannte Bakterienunverträglichkeit bei Garnelen) sind in der Garnelen-Aquaristik in der Regel ohnehin weniger die pathogenen Erreger als vielmehr Bakterien verantwortlich, die im Aquarium ohnehin vorkommen. Ihnen könnte das Immunsystem der Garnele eigentlich problemlos standhalten, wenn die Keimzahl nicht zu hoch wird.

3.2 Wie kommt es zu einer Erkrankung?

Wird der Organismus jedoch von diesen eigentlich harmlosen, sogenannten ubiquitären Bakterien überrannt, wird die Garnele krank. "Kreuzverkeimung", also eine Einschleppung einer großen Zahl eigentlich nicht besonders gefährlicher, aber von der Menge her kritischer Keime, wäre hier also der richtigere Begriff.

Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Das Immunsystem eines Stammes ist gerade damit beschäftigt, sich gegen ein bestimmtes Bakterium (nennen wir es "X") zu verteidigen, und nun kommt ein weiterer Stamm Garnelen hinzu, der sich gerade gegen ein anderes Bakterium verteidigen muss (nennen wir es "Y"). Das Bakterium „Y“ befand sich vor dem Zusammensetzen nicht im Aquarium. Der neue Stamm frisst und kotet, und Kot wird von Garnelen verwertet. Dadurch gerät sehr plötzlich eine große Menge des Bakteriums „Y“ in den Verdauungstrakt der alteingesessenen Garnelen. Ihr Immunsystem ist jedoch immer noch mit Bakterium X beschäftigt und wird gegen Bakterium Y erst mit Verspätung aktiv - die Menge an neuen Keimen ist zu groß, der Organismus wird überrannt. Die alteingesessenen Garnelen beginnen zu erkranken und zu sterben.

Selbstverständlich funktioniert dieser Mechanismus auch andersherum - es kann ebenso vorkommen, dass der neue Stamm Garnelen Probleme bekommt. Und es kann auch vorkommen, dass überhaupt keine Probleme auftreten, weil die neuen Tiere keine hohe Keimbelastung mitbringen und im Zielaquarium auch keine hohe Keimdichte herrscht.

3.3 Faktoren, die eine Kreuzverkeimung begünstigen

Frisch gekaufte Garnelen, die einen stressigen Transport hinter sich haben, sind anfälliger - je stressiger der Transport, desto mehr. Besonders häufig treten Probleme bei der Vergesellschaftung von Importgarnelen auf, die aus anderen Ländern (meist aus Asien) eingeführt werden. Bei diesen Garnelen muss man ganz besonders vorsichtig vorgehen. Im Fall von Importtieren raten wir auf jeden Fall zu einer ordentlichen, gerne auch ausgedehneteren Quarantäne. Sie sollten die ausgiebige Möglichkeit bekommen, sich zunächst ohne die zusätzliche Belastung vom Transport zu erholen. Am besten setzt man diese Stämme jedoch gar nicht zu anderen Garnelen ins Aquarium.

Wie man diese Tiere gesund erhält oder wieder gesund bekommt, lest ihr in unserem Artikel Krankheiten vorbeugen ist besser als heilen.

4 Bakterielle Unverträglichkeit vermeiden

4.1 Großer Wasserwechsel

Statt einer Quarantäne wird vor dem Zusammensetzen oft auch ein sehr großer Wasserwechsel von mindestens 80% im Zielaquarium zur Keimreduzierung empfohlen. Hierdurch werden zwar die Keime im Aquarium effektiv verringert, jedoch weiß man so immer noch nicht, ob die Neuen irgendetwas mitbringen.

4.2 Quarantäne

Zur Vorbeugung gegen eine BU hat sich eine Quarantäne der neuen Tiere bewährt. Hierzu werden die "Neuen" zunächst einmal in ein Quarantänebecken gesetzt und separat gehalten. Zwischen dem Zielaquarium mit dem alteingesessenen Stamm und dem Quarantänebecken mit den neuen Garnelen tauscht man nun zwei Wochen lang täglich schluckweise etwas Wasser hin und her. So werden geringe Mengen der Bakterien ausgetauscht und das Immunsystem der Stämme kann sich langsam auf die veränderte Keimbelastung mit den neuen Erregern einstellen.

4.3 Becken grundsätzlich strikt trennen oder nicht?

Grundsätzlich sollte ein Aquarium mit Krebstieren wie Flusskrebsen, Garnelen oder Krabben nicht übermäßig steril gehalten werden. Ein Austausch von Kleinstmengen an Bakterien, z.B. durch Werkzeuge wie Kescher oder Pinzetten, kann helfen, Probleme wie die sogenannte BU zu vermeiden, weil die Tiere dadurch nicht plötzlich einer großen Menge fremder Keime ausgesetzt sind. Aus diesem Grund passiert häufig nichts, wenn man Tiere aus dem eigenen Bestand aus verschiedenen Becken in ein Aquarium setzt.

4.4 Unterstützung durch Zusatzfuttermittel und andere Hilfsmittel

4.4.1 Beta Glucane

Durch das Zufüttern von Betaglucan können die Tiere unterstützt und ihr Immunsystem in Alarmbereitschaft versetzt werden. Wie genau das funktioniert, erklären wir im verlinkten Wiki-Beitrag.

4.4.2 Probiotika

Auch Probiotika haben sich in Studien und in der Praxis der Aquakultur schon als hilfreiche Unterstützung für eine gesunde Darmflora und damit gute Abwehrkräfte erwiesen ("Die Gesundheit beginnt im Darm"). Sie kann man beim Zusammensetzen zweier fremder Stämme daher auch unterstützend einsetzen, um das Immunsystem der Tiere und die Immunantwort auf Fremdkeime potentiell zu stärken.

4.4.3 Keimreduzierung im Wasser

Freien Sauerstoffradikalen im Aquarienwasser wird eine keimhemmende Wirkung zugeschrieben. Der Einsatz eines Oxydators oder eines Twinstars könnte daher ebenfalls für die Keimreduzierung interessant sein. Auch ein UV-C-Klärer sorgt für die Abtötung von Keimen im Freiwasser und kann zur Unterstützung ebenfalls sinnvoll sein. Die Vor- und Nachteile dieser Hilfsmittel werden in den verlinkten Artikeln genauer erklärt (dafür bitte auf die grünen Wörter klicken).

 

5 Bakterienunverträglichkeit behandeln

Hat man neue Tiere zu einem alten Stamm gesetzt und treten die oben beschriebenen Probleme auf, geht man vor wie bei einer bakteriellen Infektion - denn nichts anderes ist die sogenannte Bakterienunverträglichkeit schließlich. Hier kennt man lediglich den Grund des Krankheitsausbruchs genau. Wie man gegen eine Infektion am besten vorgeht, beschreiben wir in unserem Wiki-Eintrag "Bakterielle Infektionen bei Garnelen - Unterpunkt 6: Vorgehensweise bei bakteriellen Infektionen".

 

Autor(en)

Ricardo Castellanos

Co-Autor(en)

Ulli Bauer

Fotos: Ricardo Castellanos