Scutariella - Saugwürmer, Kiemenwürmer

Die spindelförmigen Saugwürmer der Gattung Scutariella aus der Ordnung der Temnocephalidae sind mittlerweile in der Aquaristik sehr weit verbreitet. Bevorzugt tauchen sie bei Zwerggarnelen aus der Gattung Neocaridina auf. Andere Temnocephaliden findet man auf anderen Krebstieren, auch auf Garnelen anderer Gattungen. Anders als der Trivialname „Saugwürmer“ vermuten lässt, gehören die Temnocephaliden nicht zu den Trematoden, sondern sind Strudelwürmer, was sie zu entfernten Verwandten von Planarien macht. Man kann Scutariella auf dem ersten Blick mit Holtodrilus truncatus verwechseln, einem anderen auf Garnelen aufsitzenden Wurm, der jedoch auch an anderen Stellen auf der Garnele sitzt, größer wird und sich deutlich mehr bewegt.

Leider ist der Name "Saugwürmer" irreführend - die Klasse der Saugwürmer, die Trematoden, hat mit den vergleichsweise harmlosen Scutariella nichts zu tun! Bei den Trematoden gibt es wirklich gefährliche Vertreter wie den Leberegel, den Lungenwurm oder den Pärchenegel. Trematoden brauchen für die Entwicklung ihrer Larven Schnecken.

Die Scutariellidae hingegen - um die es in diesem Artikel geht - haben kein Larvenstadium, in dem sie ein Wirtstier brauchen. Mit Schnecken kann man sie also nicht (oder nur im Ausnahmefall, wenn zufällig ein Wurm auf einer Schnecke sitzt, der auf der Suche nach einer Garnele ist) ins Aquarium holen - auch wenn das auf manchen Webseiten anders steht.

1 Aussehen und Vorkommen

Scutariella sp. ist ein bis ca. 2mm langer durchsichtiger bis weißer Wurm, der mit einem Saugnapf am unteren Körperende auf seinem Wirt aufsitzt. Die Würmer haben zwei lappenförmige tentakelartige Fortsätze am Kopfende.

Bei Scutariella handelt es sich um einen auf Garnelen spezialisierten Ektosymbionten, der aufsitzend auf Garnelen lebt. Nachgewiesen wurden Scutariellidae auf wildlebenden Garnelen aus Ostasien, Sri Lanka, Indien, aus Mitteleuropa und vom Balkan.

Meist sitzen Scutariella entweder als weißlicher "Bart" sichtbar auf dem Rostrum der Garnele auf, man findet sie aber auch in der Kiemenkammer der Tiere, wo auch die Eier abgelegt werden. Bei durchsichtigen Garnelen kann man sie als weiße Punkte innen an der Wand der Kiemenkammer erkennen. Auch nach einer Behandlung mit Panacur oder Flubenol und sogar nach mehreren Häutungen sind diese Punkte in manchen Fällen noch zu sehen. Aus ihnen scheint sich jedoch nichts zu entwickeln, eventuell werden die abgestorbenen Eier im Gewebe der Garnele verkapselt. Hin und wieder sieht man Saugwürmer auch auf den Garnelen umherwandern, sie sitzen ab und zu auch an anderen Stellen, zum Beispiel zwischen den Schwimmbeinen am Hinterleib.

2 Nahrung und Fressverhalten

Man nimmt an, dass es zweierlei Arten von Saugwürmern bei Garnelen gibt. Einmal haben wir ektosymbiontische Arten, die kommensal auf der Garnele leben - sie sind also harmlose Aufsitzer, die von Schwebeteilchen im Wasser leben, das die Garnele an den Kiemen vorbeistrudelt. Diese Saugwürmer sind sehr häufig.

Zum anderen gibt es aber auch Hinweise, dass es unter den Scutariellidae auch parasitische Arten gibt, die von der Blutflüssigkeit der Tiere leben. Bei diesen Arten findet man Garnelenblut im Wurmdarm. Man geht davon aus, dass die Würmer die Haut der Kiemen anlösen und dann Hämolymphe mit ihrer Mundöffnung zwischen den beiden Tentakeln aufnehmen. Einen Saugapparat haben Scutariella sp. nicht. Diese Würmer finden wir im Aquarium deutlich seltener.

2.1 Problematik im Garnelenaquarium

Die häufig vorkommenden kommensal lebenden Saugwurmarten stellen für die Garnele keine Gefahr dar, sie sitzen lediglich auf dem Panzer auf und stören die Tiere nicht weiter.

Auch die sehr viel seltener gesichteten parasitisch lebenden Arten sind für die Zwerggarnele nicht unmittelbar tödlich, sie können jedoch bei starkem Befall das Tier durchaus schwächen. Kommt ein solcher Parasitenbefall mit ungünstigen Haltungsbedingungen, einseitiger Fütterung und anderen Stressfaktoren zusammen, kann es zu einer höheren Sterberate oder einer eingeschränkten Vermehrung bei den befallenen Tieren kommen.

Ein Hinweis darauf, dass es sich bei Saugwürmern um einen Schwächeparasiten handeln könnte, ist, dass Garnelen besonders nach Stress-Situationen wie Versand oder Umsetzen in ein neues Aquarium einen stärkeren Befall mit Würmern entwickeln können.

3 Fortbewegung

Kommensal lebende Saugwürmer sitzen auf der Garnele und schwenken das vordere Teil ihres Körpers im Wasser hin und her, um mehr vorbeischwebenden Detritus zu erwischen. Saugwürmer können sich wie eine Spannerraupe kriechend fortbewegen. Nach einer Häutung verlassen sie die leere Haut und gehen aktiv auf die Suche nach einem neuen Wirt.

4 Fortpflanzung

Saugwürmer legen Eikokons an den Kiemenblättchen der von ihnen besiedelten Garnele ab, aus denen die jungen Würmer schlüpfen.

5 Wie kommt der Saugwurm zur Garnele?

Sehr viele Garnelen haben einen geringgradigen Befall von Saugwürmern. Wenn die Würmer nicht am Rostrum, sondern im Kiemenraum sitzen, kann man sie bei gut gefärbten Garnelen wie zum Beispiel Red Sakuras, Schoko Sakura oder Orange Sakura und auch bei den jeweiligen Rili-Formen nicht sehen. Gut sichtbar sind Saugwürmer auch in der Kiemenkammer dagegen bei den durchsichtigen Varianten wie zum Beispiel der Blue Jelly oder der Yellow Fire. Oft schleppt man Saugwürmer daher unbeabsichtigt mit neuen Garnelen ein. Sie können jedoch (selten) auch an Pflanzen oder Dekorationsgegenständen aus befallenen Becken sitzen.

6 Saugwürmer bekämpfen

Da man leider ohne eine Untersuchung des Darminhalts die parasitischen Arten der Saugwürmer nicht von den kommensal lebenden Arten unterscheiden kann, ist eine Bekämpfung der Würmer besonders bei einem starken Befall angezeigt.

6.1 Praziquantel (vormals z.B. Tremazol oder esHa Gdex)

Das Mittel der Wahl ist hier Praziquantel, ein Wirkstoff, der bisher zum Beispiel in Tremazol von Sera oder in Gdex von esHa frei verkäuflich war. Leider ist seit 1. März 2018 in der EU dieser Wirkstoff rezeptpflichtig. Beim Tierarzt kann man ihn erhalten, sollte aber darauf achten, dass man dann kein Kombipräparat bekommt.
Dabei werden 0,15 g des reinen Wirkstoffs Praziquantel auf 30 l Wasser dosiert. Je nach Wirkstoffgehalt des vom Tierarzt verschriebenen Mittels muss man die benötigte Menge selbst ausrechnen.
Am besten rührt man das Mittel zunächst separat in einem Gefäß mit etwas Aquarienwasser an und gibt es dann mit dem Wasser ins Aquarium.

Wichtig: Vorher Aktivkohle aus dem Filter nehmen. Das Aquarium muss während der Behandlung belüftet werden!

Trübt sich das Wasser während der Behandlung ein, muss diese Bakterienblüte sofort durch einen großen Wasserwechsel entfernt werden.
Trübt sich das Wasser nicht ein, werden nach ungefähr 6 Stunden Einwirkzeit 80% des Aquarienwassers gewechselt. Um einen Erfolg zu gewährleisten, muss die Behandlung nach sieben Tagen wiederholt werden. Praziquantel wirkt nicht ovizid und tötet daher die Eier der Würmer nicht ab. Es schädigt weder Schnecken noch die Jungtiere der Garnelen.

Leider gibt es mittlerweile schon einige Stämme von Saugwürmern bei Garnelen, die gegen Praziquantel resistent sind, dann muss man auf andere Mittel ausweichen.

6.2 Flubenol und Panacur

Flubenol und Panacur wirken ebenfalls gegen Saugwürmer bei Garnelen, haben aber den Nachteil, dass sie von allen (Flubenol) beziehungsweise manchen (Panacur) Schneckenarten im Aquarium nicht vertragen werden. Für genauere Hinweise wie die Dosierung und auch, wie lange Schnecken nicht mehr in ein damit behandeltes Aquarium zurückgesetzt werden können, klickt bitte auf die grün unterlegten Wörter.

6.3 Tremazid

Beim frei verkäuflichen Nachfolger von Tremazol, Tremazid, gibt es gemischte Ergebnisse. Es wird oft berichtet, dass das Mittel die Würmer zwar kurz betäubt, aber nicht abtötet.

6.4 Salzbehandlung

6.4.1 Im laufenden Aquarium

Eine Salzbehandlung (Salzbad/Salzkur) gegen Saugwürmer bei Garnelen im Aquarium wird mit reines Kochsalz ohne Fluor und Jodzusätze und ohne Rieselmittel durchgeführt. Bewährt hat sich beispielsweise Spülmaschinensalz oder Regeneriersalz nach DIN EN 973 Tabelle 1: Typ A. Hier handelt es sich um hoch gereinigtes Salz ohne jegliche Zusätze.

Die Salzbehandlung wie folgt durchgeführt: 3-5 g  werden einmalig pro Liter Aquarieninhalt ins Aquarium gegeben. In weichem Wasser sollte man sich da definitiv am unteren Wert, in hartem Wasser eher am oberen Wert orientieren. Zusätzlich sollte hier die Temperatur noch auf ca. 25-28 °C erhöht werden - Achtung, das Aquarium während der Temperaturerhöhung auf jeden Fall belüften! Diese Salzbehandlung kann man über mehrere Wochen hinweg durchführen. Vorsicht, manche Welse und andere Fische und manche Aquarienpflanzen vertragen Salz nicht gut - bitte informiert euch da vorher! Es gibt auch Hinweise, dass Asolene spixi Salz im Wasser gar nicht mögen - im Zweifel bitte absammeln und separat halten, bis das Salz wieder aus dem Aquarium ausgetragen wurde.

Während der Salzbehandlung lasst ihr das Salz im Aquarium. Dabei macht ihr einfach eure ganz normalen regulären Wasserwechsel und dosiert das Salz bei Frischwasserzugabe nach - natürlich nur für die entnommene Menge, nicht auf das Gesamtvolumen!

Nach Ende der Behandlung wird das Salz durch die ganz normalen Wasserwechsel nach und nach ausgetragen.

Wichtig: Bemerkt ihr Probleme bei den Bewohnern während der Salzbehandlung, muss natürlich sofort ein großer Wasserwechsel gemacht werden. In diesem Fall wird nicht mehr nachdosiert.

6.4.2 Salzbäder

Sind nur einzelne Tiere sichtbar befallen oder befinden sich empfindliche Mitbewohner im Aquarium, kann man die befallenen Garnelen auch in ein Salzbad in einem Extrabehälter setzen. Auf einen Liter Wasser aus dem Aquarium gibt man 2-3 Teelöffel reines Kochsalz und setzt die befallene Garnele unter ständiger Beobachtung ca. 10-20 Minuten hinein. Die Saugwürmer sollten dadurch loslassen, sie liegen dann auf dem Boden des Gefäßes. Zeigt die Garnele im Salz Probleme wie Schwanken oder Umfallen, muss sie sofort wieder ins Aquarium gesetzt werden! In dunklen Gefäßen sieht man abgefallene Würmer besser.

Extrabäder empfehlen wir nur bei durchsichtigen Garnelen, bei denen man auch einen Befall in der Kiemenkammer erkennen kann.  Ein Salzbad muss ebenfalls nach einer Woche wiederholt werden, um aus den Eiern geschlüpfte Würmer sicher zu eliminieren.

6.5 Rafoxanid (vormals Bilocil Sensitive)

Das neu entwickelte Bilocil Sensitive von der Firma Manaus Aquarium ist eigentlich ein Mittel gegen Hautwürmer und Kiemenwürmer bei Diskusfischen. Da diese Fischparasiten demselben Unterstamm (Neodermata) angehören wie Scutariella, helfen die Wirkstoffe Rafoxanid und Praziquantel auch gegen Saugwürmer und Kiemenwürmer bei Garnelen. Bitte haltet euch unbedingt an die Dosierung und Behandlungsintervalle auf der Packungsbeschreibung und achtet darauf, dass ihr das für alle Garnelen gut verträgliche Bilocil Sensitive wählt. Das Medikament schadet den Schnecken im Aquarium nicht, egal welcher Art sie angehören.

Leider fallen Bilocil und Bilocil sensitive unter die neueste Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung und sind nicht mehr frei erhältlich. Bitte fragt euren Tierarzt nach einem Präparat, das Rafoxanid und/oder Praziquantel enthält.

6.6 Unterstützende Maßnahmen

Da es sich bei Saugwürmern um einen Schwächeparasiten handeln kann, sollten medikamentöse Behandlungen immer von unterstützenden Maßnahmen begleitet werden. Dazu gehört unbedingt Stressvermeidung - das Aquarium sollte nicht permanent umgestaltet werden, die Garnelen sollten nicht ständig auf Anwesenheit kontrolliert werden. Gönnt euren Tieren Ruhe! Es ist normal, dass man nicht alle auf einmal sehen kann, ihr braucht nicht ständig in den Pflanzen nach den fehlenden Garnelen zu stöbern. Auch sollte die Keimzahl im Aquarium möglichst niedrig gehalten werden, um das Immunsystem der Tiere zu entlasten. Wie man das macht, beschreiben wir in unserem Artikel: "Die Keimdichte senken". Eine ausgewogene Fütterung ist ebenfalls sinnvoll, und um regelmäßige Wasserwechsel mit angepasstem Wasser führt kein Weg herum.

 

Autor(en)

Ulli Bauer

Fotos: Ricardo Castellanos, Tamara Stamm, Video: Ricardo Castellanos

Quelle

Rezeptpflicht von Praziquantel: Bundesgesetzblatt

Epibionts of ornamental freshwater shrimps bred in Taiwan RAFAŁ MACIASZEK1, MACIEJ KAMASZEWSKI, WITOLD STRUŻYŃSKI, PIOTR ŁAPA

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