"Systemische Mykose" - ein Befall mit einer parasitischen Alge

Cladogonium ogishimae

1 Erreger

Die gelbgrünen bis dunkelgrünen Fussel der Garnelenalge sitzen unter dem Pleon bei Garnelen, vorzugsweise bei Neocaridina davidi, aber auch bei Neocaridina palmata und anderen Garnelen der Gattungen Macrobrachium und Caridina.

1.1 Was es nicht ist

Die pilzähnlichen Ektoparasiten traten in den letzten Jahren vorwiegend bei Importgarnelen auf. Zunächst wurden sie von einer Tierärztlichen Hochschule als Pilz (Achlya oder Saprolegnia) angesprochen, weswegen man immer noch häufig von systemischer Mykose oder von Garnelenschimmel spricht - gängige Pilzmittel schlagen jedoch nicht an. Andere Experten waren daher der Ansicht, dass es sich bei den zotteligen Gewächsen nicht um einen Pilz, sondern um Ellobiopsidae handeln müsste, Einzeller, die eigentlich nur aus dem Meerwasser bekannt sind und die sich durch Sporen vermehren. Die Anatomie der grünen Fussel stimmt allerdings nicht zu 100% mit der der Ellobiopsidae überein.

1.2 Parasitische Alge

In verschiedenen wissenschaftlichen Arbeiten aus Japan und Polen wurde in den letzten Jahren die in Japan und weiteren Teilen von Asien heimische parasitäre Alge Cladogonium ogishimae als Erreger der sogenannten "systemischen Mykose" beziehungsweise des "Garnelenschimmels" eindeutig identifiziert.

Die Garnelenalge Cladogonium ogishimae kann keine Photosynthese betreiben, weil die Alge an sich kein Chlorophyll enthält. Davon abgesehen ist sie jedoch ähnlich wie Grünalgen aus der Ordnung der Cladophorales aufgebaut. Zur Energieversorgung zapft die parasitische Alge mit ihrem Rhizoid (einer wurzelähnlichen Struktur) den Abdominalmuskel der befallenen Garnele an.

Die sich im Lauf der Zeit entwickelnden Sporen der Alge enthalten dagegen viele Chloroplasten, was den Sporenbehältern ihre gelbgrüne bis olivgrüne Farbe gibt. Cladogonium ogishimae vermehrt sich durch diese Zoosporen, die mobil sind und die neue Garnelen mit dem Ektoparasiten anstecken können. Sind die Sporenbehälter sichtbar, ist die Infektion schon weit fortgeschritten.

2 Verlauf und Ansteckung

Sieht man erst die gelblich-grünen Sporenkörper der Garnelenalge unter dem Hinterleib oder Pleon, ist die Garnele schon eine lange Zeit infiziert. Die befallenen Tiere werden nach und nach schwächer. Eine Vermehrung findet nicht mehr statt. Stark befallene Garnelen sterben irgendwann. Wird nicht behandelt, kann der Parasit nach und nach die ganze Population befallen - aber es wurde auch schon berichtet, dass der Befall bei guten Bedingungen nicht auf andere Tiere überging.

Werden verstorbene infizierte Garnelen angefressen, können sich jedoch die noch gesunden Tiere im Aquarium anstecken - ähnlich wie bei einer bakteriellen Infektion. Ein weiterer Ansteckungsweg sind die mobilen gegeißelten Zoosporen, die die parasitische Alge absondert. Sie können neue Tiere befallen und infizieren, entweder wenn sie vom Boden aufgenommen und gefressen werden oder indem sie sich von außen in den Panzer der Garnele setzen und dort ihre wurzelähnlichen Rhizoide durch dünne Panzerteile ins Muskelgewebe treiben.

Die Infektion kann auf immer neue Garnelen übergreifen, wenn man nicht zum einen alle sichtbar betroffenen Garnelen in Quarantäne steckt und man zum anderen den Bodengrund im Aquarium nicht mehrfach absolut gründlich durchmulmt, damit man die Sporen der Garnelenalge entfernt.

3 Symptome für einen Befall mit Cladogonium ogishimae

Der Befall wird erst sehr spät sichtbar, wenn die im Muskelgewebe der Garnele parasitierende Alge beginnt, ihre grünlichen Sporenbehälter auszubilden. Die eigentliche Alge ist farblos. Typischerweise sitzen die Filamente zwischen den Schwimmbeinen, wo der Panzer der Garnele dünner und damit für den Ektoparasiten durchgängiger ist. Nur sehr selten kann man die typischen verzweigten Anhängsel auch an anderen Körperstellen der Garnele entdecken.

4 Ursachen

Cladogonium ogishimae ist ein Sekundärparasit, der zuschlägt, wenn das Immunsystem der Garnelen geschwächt ist, sei es durch einen stressigen Transport, unsachgemäße Eingewöhnung , durch unpassende Wasserwerte, eine hohe Bakterienbelastung, unsachgemäße Fütterung und andere Stressfaktoren.

5 Vorbeugung

Da es sich bei Cladogonium ogishimae um einen Schwächeparasiten handelt, sollte Stress im Garnelenaquarium so gut wie möglich vermieden werden. Dazu ist es zwingend notwendig, die Haltungsbedingungen zu optimieren. Im Wiki-Artikel "Krankheiten vorbeugen ist besser als heilen" gehen wir darauf genau ein, daher hier nur einige kurze Stichworte:

  • Eine gute Wasserqualität, passende Wasserwerte für die jeweilige Garnelenart und eine möglichst niedrige Keimbelastung sind wichtig. Auch die organische Belastung sollte nicht zu hoch sein, ein Nitratwert von unter 10 mg/l ist das Ziel. Regelmäßige Wasserwechsel halten die Wasserbelastung und den Keimdruck niedrig.
  • Hygiene ist wichtig: entferne abgestorbene Pflanzen(teile) und tote Tiere schnellstmöglich
  • Neue Tiere werden zunächst in Quarantäne gehalten.
  • Insbesondere Importgarnelen werden langsam eingewöhnt, um möglichst wenig Stress zusätzlich zu produzieren.
  • Die Fütterung sollte optimiert werden.

 

6 Was tun, wenn die Infektion schon ausgebrochen ist?

6.1 Quarantäne für erkrankte Garnelen

Garnelen, bei denen die grünlichen Anhängsel, also die Sporenkörper der Garnelenalge, schon sichtbar sind, fungieren als Sporenschleuder. Sie müssen in Quarantäne gesetzt werden, damit sich die noch gesunden nicht anstecken. Erkrankte Garnelen kommen in ein Quarantänebecken ohne Bodengrund, bei dem ihr täglich die Bodenscheibe absaugt, um eine Wiederansteckung mit Sporen zu verhindern. Wenige Stängel Schwimmpflanzen sind in Ordnung. Mit einem Luftsprudler oder einem Oxydator bringt ihr den nötigen Sauerstoff ein. Ein Filter wäre kontraproduktiv, weil sich im Filtermaterial Sporen ansammeln könnten. Im Artikel "Das Quarantänebecken" haben wir die Einrichtung genauer beschrieben.

Mit der fälschlicherweise als systemische Mykose angesprochenen Alge befallene Tiere werden im Quarantänebecken nicht nur separiert, sondern auch behandelt.

Auch wenn alle bereits sichtbar befallenen Garnelen im Quarantäneaquarium sitzen, wird die Garnelenpopulation im ursprünglichen Aquarium mit behandelt, weil man einen Befall mit Cladogonium ogishimae lange nicht erkennen kann.

6.2 Behandlung

Da die Alge selbst kein Chlorophyll enthält, sondern sich parasitisch ernährt, lässt sie sich nicht durch eine gewöhnliche Dunkelkur aushungern - ob eine sehr lange Dunkelkur zumindest die chlorophyllhaltigen Sporen, die sich offenbar durch Photosyntese ernähren, beeinträchtigt, ist noch nicht klar. Die meisten der gängigen Algenmittel enthalten Kupfer und wirken damit leider auch gegen Garnelen. Man kann aber dennoch einiges gegen die Alge tun.

Im Aquarium werden zunächst optimale Verhältnisse hergestellt. Wie das geht, findet ihr in unserem Artikel "Krankheiten vorbeugen ist besser als heilen" gut erklärt.

6.2.1 Durchmulmen

Dann wird der Bodengrund mehrfach gründlich abgesaugt, um so möglichst viele der Sporen zu eliminieren, bevor sich weitere Garnelen mit ihnen anstecken können.

6.2.2 Malachitgrün

Der Amerikaner Chaz Hing fand heraus, dass das Rhizoidsystem der parasitischen Alge durch eine systemische Behandlung mit malachigrünhaltigen Medizinalflocken von innen zerstört werden kann. Selbst bei schon sichtbar infizierten Tieren ging der Befall daraufhin zurück und verschwand sogar. Chaz tränkte dafür das bei Garnelen beliebte Snowflake-Futter (also getrocknete Sojabohnenhülsen) mit Kordon Rid Ich Plus, einem in Amerika gängigen flüssigen Fischmedikament gegen Ichthyo, und ließ sie danach wieder trocknen. Seine Zusammensetzung:  4,26% Formaldehyd und 0,038% zinkfreies Malachitgrünchlorid. Produkte mit Malachitgrünoxalat stellten sich als nicht ganz so effektiv heraus wie dieses Mittel. Diese Flocken verfütterte er sowohl im Quarantänebecken als auch im Ursprungsaquarium über eine Woche lang ausschließlich. Zusammen mit anderen Maßnahmen wie einer Haltungsoptimierung und regelmäßigem gründlichem Mulmen bekam Chaz Hing so seine Garnelen algenfrei.

Unglücklicherweise ist in der EU die Verwendung von Malachitgrün in Futtermitteln für Wassertiere verboten, da sich Malachitgrün in Speisefischen ansammelt und in die menschliche Nahrungskette gelangen könnte.

6.2.3 Garnelenpaste TiMa Balance

Matthias Eßlinger von TiMa Garnelenfutter geht mit seiner "Garnelenpaste Balance" einen anderen Weg. Wir erinnern uns: Diese Algen sind Schwächeparasiten. Ein Parasitenbefall ist bei Krustentieren in Aquakulturen nichts Neues, in vielen Nutztieranlagen kämpft man mit dieser Art von Problem. Der Einsatz von Medikamenten verbietet sich dort jedoch, weil die Krebse oder Garnelen dann nicht mehr in den Verzehr kommen dürfen. Die Parasiten können jedoch auch unschädlich gemacht werden, indem man ihnen den Weg zu ihrer Nahrung versperrt, die Wirtstiere stärkt und eine Barriere zwischen den Parasiten und seinen Wirt legt. Dieses Wissen aus der Aquakultur macht sich der Hersteller zunutze.

Mit Hilfe einer bestimmten Ölgruppe in diesem Futter kann die Garnele eine Sperrschicht zwischen Panzer und Gewebe einlagern, trennt also den Parasiten von seiner Wurzel. Die Garnelenalge bleibt zwar zunächst noch an Ort und Stelle, kann sich aber nicht mehr aus dem Muskelgewebe der Garnele ernähren und das Tier schwächen. Bei der nächsten Häutung streift die Garnele den befallenen Panzer ab. Die Tiere sollten noch weiter mit dem Futter gefüttert werden, bis sie die nächste Häutung auch noch überstanden haben.

Natürlich muss zusätzlich zur Behandlung immer auch das primäre Problem angegangen werden! Aus diesem Grund solltest du - wie oben ausgeführt - die Aquarienhygiene überprüfen, Stress für die Garnelen vermeiden und generell die Haltungsbedingungen kritisch ins Auge fassen. Eine regelmäßige Zugabe von Huminstoffen hat sich in der Garnelenhaltung/zucht bewährt, sie reduzieren Stress und stärken das Immunsystem

 

Autor(en)

Ulli Bauer

Fotos: Chris Lukhaup, Thomas Baumeister

Quelle

Epibionts of ornamental freshwater shrimps bred in Taiwan, RAFAŁ MACIASZEK, MACIEJ KAMASZEWSKI, WITOLD STRUŻYŃSKI, PIOTR ŁAPA

A Colorless, Filamentous Chlorophyceous Alga, Cladogonium ogishimae, Parasitic on Fresh-water Shrimps (Hiroyuki Hirose and Masaru Akiyama 1971) [Via Sci-Hub]

Reconfirmation of Cladogonium being ectoparasitic on freshwater shrimp. (Kazuyo Matsuyama-Serisawa et al. 2014)

"Von unklarer Lebensform zur Alge", Werner Klotz, caridina 4/2018